ZeMKI, Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung Das ZeMKI auf der ICA 2024 in Australien NewsZeMKI-News7. Juni 2024 Vom 20. bis 24. Juni findet die diesjährige Jahreskonferenz der International Communications Association (ICA) in Goald Cost, Australien statt. Das ZeMKI ist mit zahlreichen Beiträgen vertreten und ZeMKI-Mitglieder präsentieren ihre Forschung. Samstag, 22. Juni 2024 10:30 Uhr Christian Katzenbach; Daria Dergacheva; Vasilisa Kuznetsova; Adrian Kopps: How Have Social Media Platforms Governed ‚Misinformation‘ From Their Inception Until Today: A Longitudinal Study Diese Studie ist die erste, die alle Richtlinien von fünf großen Social-Media-Plattformen (Facebook, Instagram, YouTube, X (ehemals Twitter) und TikTok) von ihren Anfängen bis heute in Bezug auf das Konzept der Desinformation analysiert. Angesichts der Tatsache, dass die Plattformen ihre Richtlinien ständig ändern (Katzenbach, 2021; Barrett & Kreiss, 2019), liegt die Neuheit dieser Arbeit in der systematischen Erfassung dieser Änderungen im Zeitverlauf und plattformübergreifend. Während sich die Forschung stark auf spezifische Schäden von Social-Media-Plattformen wie Hate Speech und Desinformation konzentriert hat, gibt es nur wenige systematische Studien darüber, wie Plattformen mit diesen Schäden im Laufe der Zeit umgehen. Um die Rolle von Plattformen im Umgang mit Desinformation zu verstehen, ist es daher notwendig, systematisch zu untersuchen, wie Plattformen seit dem ersten Aufkommen des Konzepts im Kontext gesellschaftlicher Veränderungen und technologischer Entwicklungen mit Desinformation umgegangen sind (Katzenbach, 2021). Methodisch wird in dieser Studie ein Mixed-Methods-Ansatz verfolgt. Wir verwenden computergestützte Textanalyse, einschließlich Wort-in-Kontext und Themenmodellierung (Chen et al., 2021), um die übergreifenden Themen in politischen Dokumenten zu verstehen und den Bereich für die qualitative Analyse einzugrenzen. Die Studie verwendet dann eine kritische Diskursanalyse und eine qualitative Inhaltsanalyse, um Veränderungen rund um das Konzept der Desinformation im Laufe der Zeit und auf den untersuchten Plattformen zu verfolgen (Jacobs & Tschötschel, 2019). 13:30 Uhr Yuru Li; Jing Zeng; Cornelius Puschmann; Andreas Breiter: Computational Approaches to Visual Framing in Communication Studies In den letzten Jahren hat sich die computergestützte visuelle Analyse rasant entwickelt. Nichtsdestotrotz bleibt die Erforschung von visuellen Framing eine gewaltige Herausforderung im Bereich der Kommunikationsforschung. Diese Studie stellt eine systematische Lösung für die Extraktion von visuellen Frames mit Hilfe von computergestützten Methoden vor, insbesondere von Modellen für das Vortraining visueller Sprache. Der in dieser Untersuchung verwendete Datensatz umfasst TikTok-Videos, die sich mit dem Klimawandel befassen und den Zeitraum von 2018 bis 2023 umfassen. Um die visuellen Frames abzurufen, wurden vier verschiedene Ansätze bewertet: 1) ein induktiver Ansatz mit Bildunterschriften in Verbindung mit Themenmodellierung, 2) ein deduktiver Ansatz mit Zero-Shot-Klassifizierung, 3) ein hybrider Ansatz mit Bildunterschriften, Zero-Shot-Klassifizierung und Themenmodellierung und 4) ein multimodaler Ansatz, der auf dem hybriden Ansatz basiert, bei dem Textdaten aus Beiträgen in das Themenmodell einbezogen werden. Nach der Visualisierung führten wir eine manuelle Validierung dieser vier Ansätze anhand der Dimensionen semantische Kohärenz und Genauigkeit durch, und die Ergebnisse zeigen, dass der hybride Ansatz die günstigste Leistung erbringt. Im Gegensatz dazu ist der multimodale Ansatz hilfreich, um abstraktere visuelle Rahmen zu finden. Sonntag, 23. Juni 2024 13:30 Felix V. Münch; Philipp Kessling; Gregor Wiedemann: Digging Deep and Wide: Explorable Hierarchical Topic Modeling in Large-Scale Cross-Platform Online Discourses Based on Temporal Semantic Similarity Networks and Community Detection In Zeiten der so genannten Polykrise, d.h. dem gegenwärtigen Höhepunkt mehrerer krisenhafter globaler Entwicklungen gleichzeitig, wie Klimawandel, Pandemien und Konflikte, die das Gleichgewicht der Mächte nach dem Kalten Krieg erschüttern, scheint es eine schwierige Aufgabe zu sein, einen Überblick über die relevanten Teile des breiteren öffentlichen Diskurses zu gewinnen. Innerhalb dieser Polykrise beeinflussen und überlagern sich auf den ersten Blick unzusammenhängende Diskurse auf verschiedenen Ebenen, von hyperlokal bis global, und auf verschiedenen Zeitskalen, von Tagen bis Jahrzehnten. Die Untersuchung von Diskursen zu weitreichenden und langfristigen Themen wie dem Klimawandel oder der russischen Invasion in der Ukraine erfordert daher Ansätze, die die inhärente Komplexität dieser Themen auf einer obersten Ebene vereinfachen und gleichzeitig den Datenanalysten die Wahl lassen, wo sie tiefer graben wollen. Für dieses Vorhaben ist nicht nur die interaktive Explorierbarkeit von Themenzusammenhängen und Subthemenstrukturen von zentraler Bedeutung, sondern die sich ständig ändernden Themen und Krisen erfordern auch die Einführung der Zeit als themenbestimmenden Parameter. Beides bieten unseres Wissens weder Standardverfahren wie die Latent Dirichlet Allocation noch moderne Themenerkennungsverfahren wie BERTopic. Daher schlagen wir eine alternative Methodenkombination vor, die auf der Einbettungs-Clustering-Sequenz von BERTopic aufbaut, aber auf semantischen Ähnlichkeitsnetzwerken basiert, die um eine Zeitkomponente erweitert werden, sowie auf bewährten netzwerkbasierten Community-Discovery-Methoden, die ein hierarchisches Clustering und die Exploration dieser Netzwerke ermöglichen. In diesem Beitrag beschreiben wir unsere Methode und ihre Validierung anhand von zwei groß angelegten Testfällen: 1) dem Diskurs im Herbst und Winter 2022 über Gaslieferungen aus Russland auf dem deutschsprachigen Twitter (jetzt X genannt) nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine; und 2) dem deutschsprachigen plattformübergreifenden Diskurs über den Klimawandel auf Facebook, Instagram, Twitter und Telegram von 2019 bis 2023. Montag, 24. Juni 2024 12:00 Cornelius Puschmann; Sebastian Stier; Patrick Zerrer; Helena S. Rauxloh: Politicized and Paranoid? How Conspiracy Ideation Predicts Alternative News Consumption Die Untersuchung alternativer rechtsextremer Online-Nachrichtenquellen ist in den letzten Jahren in den Mittelpunkt des wissenschaftlichen Interesses gerückt. Diese Quellen richten sich an Nachrichtenkonsumenten, die sich häufig durch extreme politische Ansichten und Misstrauen gegenüber etablierten Mainstream-Quellen auszeichnen. Rechtsextreme alternative Nachrichtenquellen wurden auch mit der Verbreitung von Verschwörungsmythen in Bereichen wie Einwanderung und Klimawandel in Verbindung gebracht. Dennoch ist die Forschung zu den Prädiktoren des Konsums alternativer Nachrichten noch relativ spärlich. Wir nähern uns dieser Lücke, indem wir Online-Tracking- und Befragungsdaten von 2.098 deutschen Panelteilnehmern kombinieren, die über einen Zeitraum von 1,5 Jahren erhoben wurden. Dabei können wir den Nachrichtenkonsum sowohl als binäre Variable (Einteilung der Probanden in Nutzer und Nichtnutzer alternativer Medien) als auch in Bezug auf die Nutzungshäufigkeit (Einteilung der ersteren in gelegentliche und häufige Nutzer) erfassen. Anschließend messen wir die Neigung der Befragten zu verschwörungstheoretischem Denken durch eine automatisierte Inhaltsanalyse offener Fragen zu vier kontroversen Themen. Wir stellen fest, dass Verschwörungsdenken ein zuverlässiger Prädiktor für den Konsum alternativer Nachrichten ist, sowohl in absoluten Zahlen (Nutzer, die Verschwörungsdenken zeigen, nutzen eher alternative Nachrichten als Nutzer, die dies nicht tun) als auch in relativen Zahlen (je mehr Verschwörungsdenken ein Nutzer zeigt, desto mehr alternative Medien konsumiert er). Unsere Ergebnisse tragen zu einem besseren Verständnis der Konsumenten alternativer Nachrichten bei. Stephanie Geise, Katharina V. Hajek, Katharina Maubach: Look – Don’t Look! Psychological Reactance in Multimodal Framing Framing in den Medien spielt eine entscheidende Rolle bei der Gestaltung der Realitätswahrnehmung der Zuschauer, insbesondere im Zusammenhang mit der zunehmenden Dominanz multimodaler Nachrichtenumgebungen. Es gibt unterschiedliche Erkenntnisse darüber, ob Bilder erfolgreiche Framing-Effekte bei multimodalem Framing fördern oder behindern. Diese Studie ist die erste, die die Rolle der psychologischen Reaktanz im Prozess des multimodalen Framings untersucht. Wir führten eine experimentelle 2×3-Studie (N = 336) durch, in der verschiedene Modalitäten (Text vs. Text-Visualisierung) und das Thema des Nachrichtenartikels (Covid-19, Klimawandel und Wirtschaftskrise) vor und nach dem Test untersucht wurden. Wir fanden einen signifikanten Einfluss der Modalität auf wahrgenommene Manipulation und wahrgenommene Manipulation auf reaktives Verhalten, aber keinen signifikanten Einfluss der Modalität auf Ärger (H3a) oder reaktives Verhalten (H1). Es zeigte sich jedoch ein interessanter Zusammenhang zwischen Modalität, wahrgenommener Manipulation und reaktivem Verhalten. Wir diskutieren unsere Ergebnisse als Hinweis auf eine erhöhte Medienkompetenz der Rezipienten im Umgang mit Bildern. 15:00 Uhr Uwe Hasebrink, Andreas Hepp, Wiebke Loosen: The Refiguration of Public Communication: A Relational and Process-oriented Perspective In der Kommunikations- und Medienforschung ist der Begriff der „Öffentlichkeit“ und ihr „Strukturwandel“ seit langem ein zentrales Thema, insbesondere im Zusammenhang mit der Frage, wie sich Kommunikation im Verhältnis zu Gesellschaft und Politik entwickelt. Problematisch an diesem Konzept sind sein unscharfes normatives Profil und seine vage empirische Reichweite. In diesem Beitrag soll ein neuer theoretischer Ansatz vorgestellt werden, der sich durch eine stärkere Betonung relationalen und prozessorientierten Denkens auszeichnet. Konkret schlagen wir vor, die Transformation öffentlicher Kommunikation als einen Prozess der Refiguration zu konzeptualisieren. Zu diesem Zweck untersuchen wir zunächst den Wandel der Medienumwelt aus der Perspektive der Mediatisierungstheorie. Anschließend wird der Frage nachgegangen, wie dieser Wandel öffentlicher Kommunikation als Refiguration verstanden werden kann. Dabei betonen wir, dass öffentliche Kommunikation nicht auf eine singuläre Öffentlichkeit beschränkt ist, sondern sich vielmehr auf die Transformation der Beziehungsdynamik zwischen mindestens drei verschiedenen Typen von Öffentlichkeiten bezieht. Schließlich geht es in unserem Beitrag darum, wie eine solche relationale und prozessorientierte Perspektive analytisch umgesetzt werden kann. Obwohl sich unsere Argumentation auf zahlreiche eigene empirische Untersuchungen stützt, verstehen wir diesen Beitrag als theoretischen Beitrag. Niklas Venema; Erik Koenen; Christian Schwarzenegger; Jördis Krey: Adaptation, Expansion, or Misuse of a Theoretical Concept? A Systematic Literature Review of the Research on Counterpublics In den letzten Jahren wurde viel über negativ und positiv konnotierte Phänomene der digitalen Kommunikation geforscht, die auch als Gegenöffentlichkeiten charakterisiert wurden. Die gleichen öffentlichen Arenen, Praktiken und Kommunikationsstrategien, die einst als Hüter von Demokratie, Meinungsfreiheit und politischer Partizipation idealisiert wurden, sehen sich zunehmend mit dem Verdacht konfrontiert, zur gesellschaftlichen Polarisierung beizutragen, Verschwörungsmythen zu verbreiten und die Demokratie durch Manipulation zu untergraben. Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich der Beitrag mit dem Wandel des Konzepts der Gegenöffentlichkeit. Auf der Grundlage einer systematischen Literaturrecherche werden Unterschiede und Kontinuitäten in der theoretischen Fundierung und empirischen Operationalisierung des Konzepts analysiert. Zu diesem Zweck wurde ein Korpus von 313 englischsprachigen wissenschaftlichen Zeitschriftenartikeln aus den Jahren 1999 bis 2023 erhoben. Die Studie trägt zur Kontextualisierung des Phänomens bei und leistet einen wichtigen Beitrag zur Klärung der theoretisch umstrittenen Frage, was unter Gegenöffentlichkeiten verstanden werden kann oder soll. Labs Lab Datafizierung und MediatisierungLab Digitale Kommunikation und InformationsvielfaltLab Medienwandel und langfristige TransformationsprozesseLab Plattform-Governance, Medien und TechnologieLab Politische Kommunikation und innovative MethodenLab Soziotechnische Systeme und kritische Datenstudien