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Der Journalist und Filmemacher Hubertus Koch war am 19. Juni 2025 zu Gast bei den ZeMKI-Mediengesprächen in Bremen. Im Club 27 diskutierte er gemeinsam mit Lisa-Maria Röhling und ZeMKI-Mitglied Prof. Dr. Christian Schwarzenegger über Chancen und Zumutungen von Social Media als journalistischem Raum. Koch, der mit Formaten wie Einigkeit & Rap & Freiheit oder als Teil des Y-Kollektivs bekannt wurde, steht wie kaum ein anderer für einen Journalismus, der emotional, kantig und zugleich selbstkritisch ist.

Im Anschluss an das Panel haben wir mit ihm ein kurzes Gespräch geführt – drei Fragen, drei Antworten –, in dem es um nicht weniger ging als die Zukunft des Journalismus in einem digitalen System, das oft eher auf Likes als auf Wahrheiten reagiert.

Was können soziale Medien deiner Meinung nach besser als klassische Medienformate und wo stoßen diese andererseits für dich an Grenzen, wenn es um Journalismus geht?

Ich glaube, dass soziale Medien erstmal eine offene Tür für jeden haben. Das ist schon mal eine sehr große Chance und ein sehr großer Vorteil. Also die Teilhabe, dass was wir hier am Schluss besprochen haben. Marginalisierte Gruppen und nicht gehörte stimmen können sich da Gehör verschaffen und Diskurse mitbestimmen. Das ist auf Plattformen wie Fernsehen, Zeitungen oder klassischen Medien nicht ohne Weiteres möglich, weil die Hürden dort deutlich höher sind. Es ist oft eine Frage der Qualifikation, von Bildung, von Akademisierung – da sind wir beim Thema Klassismus. Wer sitzt überhaupt in der Redaktion von öffentlich-rechtlichen Medien? Das sind oft weiße akademisierte gehobene Mittelstandsleute. Aber das ist ja nicht der Querschnitt der Gesellschaft. Dementsprechend ist das ein sehr großer Vorteil von Social Media.Auf der anderen Seite kommt man natürlich an Grenzen, wenn ich jetzt an Einzelpersonen denke, was zum Beispiel Finanzierung anbelangt. Also du kannst dir zwar Gehör verschaffen und ein Reel oder einen Story-Post machen, der viral geht. Du wirst es aber nicht schaffen, ohne weiteres eine Auslandsproduktion zur US-Wahl mit sechswöchiger Reise und so weiter zu finanzieren, das in der Postproduktion so auf die Beine stellen zu können, dass du da ein high-Quality-Produkt sozusagen schaff

Du meintest ja, viele dieser Formate schlagen in die gleiche Kerbe. Wie hat sich aus deinen Augen die Darstellung von Reportagen im Stil der Ich-Perspektive seit den Anfängen in 2017 bis 2018 mit der Zeit verändert?

Ich glaube, dass sich 2016, wo sich das Y-Kollektiv und wo sich Funk gegründet hat und wo es eine Goldgräberstimmung hinsichtlich des Journalismus und neuen Medien auf Social Media gab, dass da sehr viel entstanden ist, was sich heute schon überholt hat.Also, dass die Ich-Perspektive und das authentische erzählen und auch ein neuer Look in einem nicht ganz so großen Production-Value sein muss. Es kann auch wackeln und “authentisch” sein und das tut der Geschichte keinen Abbruch. Auch, dass dazu der Reporter oder die Reporterin durch die persönlichen Erfahrungen, durch das Teilen der eigenen Beobachtungen und Emotionen etc. halt sehr im Mittelpunkt steht, war Anfangs sehr neu und eine neue Authentizität im Erzählen, die die Leute sehr schätzten. Aber durch den Versuch, das zu formatieren und immer wieder zu produzieren hat sich das ein bisschen überholt und es fehlt oft die Funktion, die dafür sorgt, dass man das eigentlich so persönlich erzählt. Ich glaube, jetzt schlägt das Pendel wieder ein bisschen um, so das Hosts und diese persönliche Teilhabe nicht mehr ganz so wichtig sind oder schneller demaskiert werden als unnötig oder zu viel oder nicht angebracht. Es ist einfach eine größere Sensibilisierung dafür da, wer mir eigentlich was erzählt und warum, und wie wichtig ist die Person selbst?

Viele sagen, dass Social Media müde, überfordert, frustriert macht. Wie sieht das aus deiner Perspektive als Journalist aus, der gleichzeitig Social Media Content kreiert aus? Ist das eine zusätzliche Belastung zusätzlich zum konsumieren?

Ist auf jeden Fall eine zusätzliche Belastung, weil ich im Grunde mit jeder Nachricht, die ich lese, den Druck verspüre, mich selbst dazu irgendwie zu äußern oder selbst was zu machen, das ist natürlich in einer Informationsgesellschaft, wo sehr viel passiert und sehr viel auf einen einprasselt als Konsument schon krass.Aber dann sich davon zu distanzieren, selber auch auf den Zug aufzuspringen und selber was zu dem Thema zu machen, sei es jetzt zum Beispiel Israel, Gaza, Trump, Israel, Iran und so weiter, das ist immer eine Herausforderung, weil man ja in der permanenten Vergleichbarkeit ist, wo alle Themen permanent behandelt werden, auch von Leuten, die das vielleicht nicht so gut machen wo man denkt das will ich jetzt schnell besser machen. Zuletzt fällt mir auf, dass ich dadurch den Fokus aus den Augen verliere, woran ich jetzt eigentlich gerade arbeite. Weil du kannst nicht an allem gleichzeitig arbeiten und man muss sich da fokussieren und das irgendwie für sich auseinanderrechnen. Aber ja, das ist auf jeden Fall oft sehr überforderdernd und ich muss aufpassen, dass ich da nicht in den Strudel reinkomme als Konsument, aber auch als Produzent genauso auf jeden Fall.