Nr. 27 - Adam Fish und John Carter McKnight: The financialization of peer-to-peer lending in the United Kingdom

In jüngster Zeit haben sich Peer-to-Peer-Kreditsysteme („p2p“) als beliebte Instrumente zur Vergabe unbesicherter Kredite an Verbraucher und kleine Unternehmen etabliert (Nesta, 2014). P2p-Darlehen sind eine Innovation, die sich vom bekannteren Crowdfunding unterscheidet: Während Crowdfunding-Systeme als eine Mischung aus wohltätiger Spende und Vorabkauf (Bereitstellung von Mitteln für ein Produkt in einem frühen Entwicklungsstadium und nicht nach Fertigstellung des Produkts) funktionieren, beinhaltet die P2p-Kreditvergabe den Austausch von Mitteln zu kommerziellen Zinssätzen und konkurriert auf dem Markt für Privatanleger hauptsächlich über den Preis, indem Banken mit ihren relativ hohen Gemeinkosten „umgangen“ werden. Im Gegensatz zu Banken oder Sparkassen vergeben P2P-Unternehmen selbst keine Kredite: Sie fungieren als Marktplatz, der „Käufer“ von Schulden (Kreditnehmer) mit „Verkäufern“ von Schulden (Investoren) zusammenbringt. Einige Wissenschaftler argumentieren, dass die P2P-Kreditvergabe die Machtposition der Banken verändert und diese Macht an verteilte, zusammenarbeitende Menschen zurückgibt (Bauwens, 2005). Andere hingegen sehen die P2P-Kreditvergabe als Teil des Finanzialisierungsprozesses und lassen die radikal dezentralisierenden Aspekte außer Acht (Aitken, 2015). Während es im P2P-Finanzsektor eine Vielzahl von Architekturen und Geschäftsmodellen gibt, hat sich der Begriff „P2P“ in den letzten zehn Jahren von Assoziationen mit hoher technologischer Kompetenz, Risikobereitschaft, Verspieltheit und Innovation hin zu Assoziationen mit „Fairness“ und einer Konstruktion von Kreditnehmern und Kreditgebern als „Gleiche“, die finanziell „vernünftig“ sind, verschoben.

Wir haben eine 15-monatige Studie über Zopa Limited durchgeführt, das erste und größte (gemessen am Transaktionsvolumen) britische P2P-Kreditunternehmen. Zopa war 2006, im zweiten Jahr seines Bestehens, Gegenstand einer soziologischen Analyse (Hulme, 2006), die eine umfassende Reihe von Interviews mit dem Management und den Mitarbeitern, die Beobachtung von Arbeitsabläufen, Brainstorming-Sitzungen und die Entwicklung von Werbeprodukten umfasste. Wir haben Zopa ausgewählt, um zu untersuchen, wie das Unternehmen und die P2P-Branche auf die globale Finanzkrise Ende der 2000er Jahre reagiert haben. Da Zopa ein reflexives und datengesteuertes Unternehmen war und ist, erwarteten wir, dass es uns wichtige Informationen über die Entwicklung seines Geschäftsmodells, seiner Kommunikation und seiner technologischen Prozesse liefern würde.

Über die Autoren

Adam Fish
Adam Fish ist Kulturanthropologe, Videoproduzent und Scientia Fellow an der University of New South Wales, wo er Macht in digitalen Produktionskulturen untersucht. Im Jahr 2018 war er Visiting Research Fellow des ZeMKI an der Universität Bremen. Sein Buch Technoliberalism (Palgrave Macmillan, 2017) beschreibt seine ethnographische Forschung zur Politik der Konvergenz von Internet und Fernsehen in Hollywood und Silicon Valley. Sein gemeinsam mit Luca Follis verfasstes Buch Hacker States (MIT Press, 2020) befasst sich mit den Auswirkungen des staatlichen Hackings auf die Demokratie. Sein gemeinsam mit Ramesh Srinivasan verfasstes Buch After the Internet (Polity, 2017, mit Ramesh Srinivasan) stellt das Internet aus der Perspektive von Graswurzelaktivisten, Bürgern und Hackern am Rande der politischen und wirtschaftlichen Macht neu dar.

John Carten McKnight
John Carter McKnight ist Assistenzprofessor an der Harrisburg University of Science and Technology. In seiner Arbeit untersucht er die Behauptung und Aufrechterhaltung kollektiver – nationaler, ethnischer und geschlechtsspezifischer – Identitäten durch affektive Rhetorik und das Design von Kommunikationstechnologien. Sie basiert auf nutzerzentrierter STS, post-phänomenologischen Ansätzen zu Kommunikationstechnologien (insbesondere auf den Arbeiten von Ihde und Verbeek), Affekttheorie (einschließlich Wetherell, Sedgwick und Ahmed) und neuen theoretischen Arbeiten zur Rhetorik der Erlebnisarchitektur, die von Potts und anderen entwickelt wurden.