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Das corona-verstärkte Interesse an Erklärvideos und Videotutorials für das Homeschooling führt ja fast zwangsläufig zu der Frage: was machen die YouTuber/innen in ihren Erklärvideos eigentlich anders als das klassische Bildungsfernsehen?

Dazu habe ich verschiedene YouTube-Produzierende interviewt. Hier nun aus den Interviews ein paar Zitate. Die kompletten Interviews kann man in dem Buch „Lehren und Lernen mit Erklärvideos und Videotutorials“ „Lehren und Lernen mit Tutorials und Erklärvideos“ nachlesen, welches am 8. April 2020 beim Beltz Verlag erscheint.

Zunächst habe ich den „Vater“ des deutschen Wissenschaftsfernsehens Joachim Bublath nach den Grenzen der Erklärbarkeit von Wissenschaft im Fernsehen befragt. Der sieht eine Gefahr darin, dass im

„…Trickfilm … alles so klar und deutlich dargestellt (wird) und (auch so) funktioniert. Die Realität im Labor sieht oft anders aus. Der Zuschauerin/dem Zuschauer wird eine andere Welt vorgegaukelt, um ein Basisverständnis zu erreichen. Schon das Atommodell mit den kugeligen Elektronen, die planetenartig um den Kern herumschwirren, ist eine äußerst einfache Verständnishilfe. Quantenmechanisch sind die Elektronen statistisch verschmiert, unterliegen einer bestimmten Aufenthaltswahrscheinlichkeit, die nur noch mit mathematischen Formeln darzustellen ist. Und da kommen natürlich Bedenken auf, wenn im Fernsehen der Eindruck erweckt wird, dass in der Wissenschaft alles so einfach wäre und sich visualisieren ließe. Ab einer bestimmten Verständnisstufe ist das Abstraktionsvermögen des Einzelnen gefragt.“ – Joachim Bublath

Und da kommt nun der Unterschied zu YouTube – während also das Fernsehen die Spartenprogramme der Spartenprogramme nicht bedienen kann, schaffen Videoplattformen wie YouTube genau diese Nische.

Derek Muller (Veritasium) sagt im Interview

„Die BBCs und Netflixes dieser Welt haben natürlich mehr Geld zu Verfügung und können die Sachen schöner und glänzender produzieren, aber sie wollen selten so ins Details gehen, wie man das eben auf YouTube kann. Auf YouTube ist alles ein wenig ungeschliffener, ursprünglicher, man will den Leuten zeigen, wie die Dinge wirklich sind. Ich denke also, dass die Echtheit und Erklärtiefe von YouTube auf Netflix oder in einer TV-Show nicht erreicht werden kann.“ – Derek Muller

Später im Interview beschreibt er noch, wie man aus seiner Sicht gut erklärt. Interessant ist, dass Derek zum Thema „Designing Effective Multimedie for Physics Education“ an der University of Sidney promoviert hat, also die Theorie in die Praxis überführt hat.

Einer der prominentesten und originellsten YouTube-Erklärer in Deutschland ist Johann Carl Beurich aka DorFuchs, der Mathe-Singer-Songwriter von Hits wie „Die Ableitung vom Sinus ist der Kosinus„. Dieser beschreibt im Interview den Gestaltungsprozess seiner Videos. Besonders wichtig dabei ist:

„Der Prozess geht also von ich kann es irgendwie gut erklären über ich habe alle Erklärwege verstanden hin zu ich hab mir jetzt die Erklärweise, die mir am besten liegt, rausgesucht.“ – DorFuchs

Der eigentlichen Produktion geht also eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema voraus – und das macht die Eigenproduktion von Erklärvideos auch zu solch einer intensiven Lernstrategie.

Aber nicht alle Erklärvideos müssen 100 Stunden oder mehr wie bei DorFuchs in der Produktion in Anspruch nehmen. Kai Schmidt aka LehrerSchmidt hat in 3 Jahren über 1000 Videos produziert – mit einem pragmatischen Produktionsstil:

„Ich bin nicht YouTuber geworden, um YouTuber zu werden, sondern ich bin ein Lehrer, der das seit Ewigkeiten so macht. Ich plane meinen Unterricht jeden Tag aufs Neue, und ich bin irgendwann dazu übergegangen, in der Regel ein oder zwei Aufgaben auf Video aufzunehmen. Für ein Mathevideo benötige ich heute ca. 30 Minuten.“ – Kai Schmidt

Und warum gerade auf YouTube?

„Der Riesenvorteil von YouTube ist – und der Satz ist so abgedroschen wie richtig: Ich hole die Schüler/innen da ab, wo sie sind! Und die hocken momentan den ganzen Tag auf YouTube“. – Kai Schmidt

Schließlich habe ich noch Alex Giesecke von SimpleClub sowie Nicole Valenzuela von öffentlich-rechtlichen Angebot musstewissen interviewt. Auch in den beiden Interviews kann man die große Bandbreite der Erklärvideogestaltung nachvollziehen. Gerade SimpleClub ist ja bekannt für einen eher lässigen Ton, der gerade für die Schüler/innen funktioniert, die frei nach Deichkind in der „Schule nervt“-Fraktion unterwegs sind – Alex Giesecke dazu

„Viele Leute glauben, dass wir Schule ersetzen wollen. Wollen wir aber auf gar keinen Fall. Wir sehen uns nicht als Ersatz für Schule oder ein neues Schulsystem. Sondern immer als Tool, welches man in jedem System einsetzen kann.“ – Alex Giesecke

Alles im Detail ab dem 8. April nachzulesen:

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