Kurzinterview mit Annika Brockschmidt
18. November 2025
Am Montag, den 17. November 2025, hat das ZeMKI gemeinsam mit Radio Bremen/Bremen Zwei und dem Bremer Presse-Club als Kooperationspartner zu den ZeMKI-Mediengesprächen in den Club 27 eingeladen. Journalistin, Podcasterin und Autorin Annika Brockschmidt hat in diesem Rahmen ihre Expertise zum Thema „Wie religiöse Influencer und die Tech-Elite die Demokratie angreifen“ geteilt. Wir durften ein Kurzinterview mit ihr führen:
Frage: Wie tragen religiöse Influencer und digitale Plattformen dazu bei, dass sich religiös-ideologische Narrative in öffentlichen Diskursen verbreiten und verfestigen?
Annika Brockschmidt: Digitale Plattformen wie Instagram oder Tiktok sind bei rechtsreligiösen Influencer*innen sehr beliebt, weil sie ihnen ermöglichen, ihre Botschaften an ein großes Publikum zu tragen. Dabei gibt es verschiedene Marketing-Modelle, verschiedene „Genres“, aber einige gemeinsame Nenner – Gender Essentialismus und Antifeminismus beispielsweise, mal mehr, mal weniger offensichtlich.
Je extremer die Inhalte, je polarisierender, desto mehr begünstigt der Algorithmus die Sichtbarkeit. Gleichzeitig profitieren Influencer*innen auch von der medialen Berichterstattung über sie, beispielsweise über das „Tradwife“ Phänomen, das durch breite Berichterstattung einflussreicher oder weiter verbreitet wirken kann, als es wirklich ist. Das hat dann natürlich einen Einfluss auf den öffentlichen Diskurs.
Frage: Inwiefern verschmelzen Religion, Ideologie und Technologie heute zu neuen Machtzentren, die politische Polarisierung befördern und demokratische Prozesse beeinflussen?
Annika Brockschmidt: Neue Technologien wie generative KI ermöglichen rechten und rechtsextremen Bewegungen neue Möglichkeiten, mit wenig Aufwand Unmengen an Bildern zu produzieren, die ihre Weltsicht wiedergeben. Dabei kommt ihnen zugute, wie der Medienwissenschaftler Roland Meyer gezeigt hat, dass die KI strukturell konservativ, nostalgisch und an den ästhetischen Erwartungen einer kleinen Gruppe des globalen Nordens orientiert ist, und daher eher Bilder produziert, die den Vorstellungen eines rechten Weltbilds entsprechen.
Wir sehen auch, dass Überreiche aus dem Silicon Valley ein wichtiger Teil der Koalition der amerikanischen Rechten geworden sind. Ein besonders prominentes Beispiel für Technikgläubigkeit, entfesselten Kapitalismus und religiöse Apokalyptik ist natürlich Peter Thiel, einer der wichtigsten Geldgeber der amerikanischen Rechten. Elon Musk nutzt derweil „X“, vormals Twitter, um rechtsextreme Bewegungen und Parteien weltweit zu stärken, Falschinformationen, Hass und Hetze zu verbreiten.
Frage: Welche Ansätze oder Strategien sind notwendig, um der wachsenden Einflussnahme solcher Akteure auf digitale Öffentlichkeiten entgegenzuwirken und demokratische Diskurse zu stärken?
Annika Brockschmidt: Es braucht auf der öffentlichen Ebene Aufklärung über die Inhalte, die dort verbreitet werden – denn die Einstiegsschwelle ist deutlich niedriger. Narrative, die in ein biologistisches, rechtes Weltbild passen, beginnen nicht erst bei Inhalten offen fundamentalistischer christlicher Influencer*innen, sondern schon bei Videos, wo die Rede ist von „weiblicher“ und „männlicher Energie“ – da wäre es also vor allem wichtig, bei Jugendlichen schon Aufklärungsarbeit zu leisten.
Das reicht aber nicht aus – es braucht von staatlicher Seite eine stärkere Regulierung großer Social Media Konzerne, ihres Umgangs und ihrer Monetarisierung von Nutzerdaten und extremen Inhalten.
Mehr informationen zum Mediengespräch gibt es unter folgendem Link: ZeMKI-Mediengespräche in Kooperation mit dem Bremer Presse-Club: Annika Brockschmidt – ZeMKI
