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Medienbezogene Veränderungen in Gesellschaften entstehen nicht einfach dadurch, dass „disruptive Technologien“ erfunden und dann von Unternehmen durchgesetzt werden. Einem solchen Blickwinkel läge eine viel zu vereinfachende Wirkungsannahme zugrunde, um die Komplexität medienbezogener Veränderungen zu erfassen. Vielmehr haben wir es mit einer vielschichtigen Transformation zu tun, in die verschiedene individuelle und supra-individuelle Akteure eingebunden sind (Berker, Hartmann, Punie, & Ward, 2006; Bijker & Law, 1992; Couldry & Hepp, 2017; Dolata, 2013). Eine besondere Akteursgruppe sind hierbei „Pioniergemeinschaften“ (Hepp, 2016), die als „Intermediäre“ (Bourdieu, 2010: 360) zwischen Technologieentwicklung, Unternehmen, Politik und Nutzern agieren. Im Kern zeichnen sich medienbezogene Pioniergemeinschaften — neben dem geteilten Wir-Gefühl der Mitglieder — dadurch aus, dass sie eine Vorreiterrolle in ihrem jeweiligen Bereich haben, die sich in experimentellen Medienpraktiken konkretisiert, dass sie eine „Organisationselite“ (Hitzler & Niederbacher, 2010: 22) herausgebildet haben und „soziotechnische Imaginationen“ (Jasanoff & Kim, 2015) einer möglichen (Medien-)Zukunft teilen.


Historisch hat den Stellenwert von Pioniergemeinschaften für medienbezogene Transformation insbesondere Fred Turner (2006) in seiner bekannten Untersuchung zum Whole Earth Network gezeigt. Ursprünglich der amerikanischen Counter Culture entstammend, wurden in diesem Netzwerk Utopien neuer Vergemeinschaftung zusammengebracht mit Vorstellungen der Veränderbarkeit der Gesellschaft durch Technologie sowie einer aus der militärischen Forschung stammenden Begrifflichkeit der Kybernetik und allgemeinen Systemtheorie. Die Mitglieder dieses Netzwerks waren weniger „Entwickler“ im engeren Sinne, sondern primär Journalisten und Technologiebegeisterte, die Vorstellungen von Online-Vergemeinschaftung, Plattform-Austausch und einer individualisierten Gesellschaft entwickelten. Über lange Zeit boten deren Diskurse eine erhebliche Orientierung für die Technologieentwicklung im Silicon Valley bzw. deren Unterstützung durch die amerikanische Politik. Wichtige Publikationsorgane dieses Netzwerks waren dabei zuerst der Whole Earth Catalogue, die Online-Community Whole Earth ‘Lectronic Link (WELL), und später die Zeitschrift Wired.

Über die Autor:innen

Andreas Hepp
Andreas Hepp ist Professor für Kommunikations- und Medienwissenschaft mit dem Schwerpunkt Medienkultur und Kommunikationstheorie am ZeMKI, Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung sowie dessen Sprecher. Von 2004 bis 2005 war Andreas Hepp Juniorprofessor ür Kulturelle Bedeutung digitaler Medien, von 2005 bis 2010 Professor für Kommunikationswissenschaft an der Universität Bremen. Vor seiner Tätigkeit an der Universität Bremen vertrat er 2003/4 eine Professur für Kommunikationswissenschaft mit dem Schwerpunkt Mediensoziologie und Medienpsychologie am Institut für Kommunikationswissenschaft der Westfälischen WilhelmsUniversität Münster. Von 1995 bis 1997 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem DFG-Projekt „Über Fernsehen sprechen“ an der Universität Trier, 1999 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Karlsruhe (TH) am Interfakultativen Institut für Angewandte Kulturwissenschaft (IAK), 1999 bis 2003 zuerst wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann wissenschaftlicher Assistent am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft (IfMK) der TU Ilmenau. Als Gast hat Andreas Hepp neben den genannten Universitäten u. a. an der London School of Economics and Political Science, an der Université Paris II, am Goldsmiths College der University of London, an der Nottingham Trent University und der University of Sunderland gelehrt und geforscht.


Susan Alpen
Seit Juli 2017 ist Susan Alpen wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für historische Publizistik, Kommunikations- und Medienwissenschaft (IPKM) der Universität Bremen. Ihren Masterstudiengang Communication and Cultural Management schloss sie 2015 mit einer Arbeit zum Thema „Medien,Öffentlichkeit und Gesellschaft zwischen Fragmentierung und Integration“ an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen ab. Anschließend war sie von April 2016 bis Juli 2017 als wissenschaftliche Mitarbeiterin in dem von der EU geförderten CBHE Erasmus+ Projekt „Media Literacy as a Media Competence Program for Social Change“ tätig. Das Projekt entstand in Kooperation mit sechs Universitäten aus Thailand, Malaysia und Vietnam, sowie der Universität Wien und der Open University of the Netherlands. In enger Kooperation mit den Partneruniversitäten arbeitete Susan Alpen an einer zweistufigen Delphi-Studie, die in Südostasien durchgeführt wurde und nun die wissenschaftliche Grundlage für die Entwicklung eines Massive Open Online Kurses zur Förderung von Medienkompetenz in Südostasien bildet.


Piet Simon
Piet Simon war von 2015 bis 2018 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen. Er unterrichtete im Bachelorstudiengang Kommunikations- und Medienwissenschaft. Zudem war er im interdisziplinären Forschungsverbund „Kommunikative Figurationen“ tätig. In einem Teilprojekt von Prof. Dr. Andreas Hepp befasste er sich mit der kommunikativen Konstruktion von Gemeinschaften an mediatisierten Orten in der Stadt.