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In einer Zeit der „deep mediatization“ (Couldry und Hepp, 2016: 34–56) – der fortschreitenden Verflechtung verschiedener gesellschaftlicher Bereiche mit Medien (Livingstone, 2009: 1) – gewinnen crossmediale Ansätze zur Untersuchung der Mediennutzung zunehmend an Relevanz. In diesem Zusammenhang müssen wir crossmediale Praktiken auf mindestens zwei verschiedenen Ebenen betrachten. Die erste Ebene bezieht sich auf das „Individuum“, dessen crossmediale Nutzung als ein bestimmtes „Medienrepertoire“ charakterisiert werden kann (Hasebrink und Domeyer, 2012). Die zweite Ebene bezieht sich auf „soziale Domänen“ (Gemeinschaften, Organisationen etc.), die als kommunikative Figurationen verstanden werden können, die durch ein bestimmtes „Medienensemble“ gekennzeichnet sind (Hepp und Hasebrink, 2014). In der Regel konzentriert sich medienübergreifende Forschung entweder auf das Individuum oder auf den sozialen Bereich. Diese Perspektiven kommunizieren selten miteinander. Im Gegensatz zu einer solchen Trennung schlagen wir eine Verschränkung beider Perspektiven vor, um das konzeptionelle und empirische Verhältnis von Mediennutzung als individueller Praxis und als Teil einer Figuration zu klären. Auf der Ebene des Individuums setzen sich Medienrepertoires aus medienbezogenen kommunikativen Praktiken zusammen, mit denen sich Individuen auf die Figurationen beziehen, an denen sie teilhaben. Auf der Ebene der Figurationen sind Medienensembles durch die medienbezogenen kommunikativen Praktiken der Akteure im jeweils untersuchten sozialen Feld gekennzeichnet.

Über die Autoren

Uwe Hasebrink
Ausgangspunkt der folgenden konzeptionellen Überlegungen sind die zum Teil massiven Verschiebungen der Medienumgebungen, die sich in den letzten Jahren im Zuge der Digitalisierung und der damit verbundenen technischen Konvergenz der Übertragungswege und Endgeräte sowie der Ausdifferenzierung der Medien- und Kommunikationsdienste beobachten lassen (Couldry 2012, Deuze 2011, Napoli 2011). Diese Verschiebungen werden intensiv im Hinblick auf ihre Konsequenzen für die kommunikativen Grundlagen der Gesellschaft und einen erneuten „Strukturwandel von Öffentlichkeit“ (Münch/Schmidt 2005) diskutiert (siehe auch Gripsrud 2009). Der vorliegende Beitrag greift diese Entwicklungen auf, indem er „digitale Öffentlichkeit(en)“ in den Fokus rückt und einen konzeptionellen Zugang zur empirischen Analyse des Wandels von Öffentlichkeiten entwickelt. Gesellschaftlicher Wandel wird oft anhand der für die betreffende Zeit als typisch angesehenen Formationen von Publika, also der Grundstrukturen von Öffentlichkeiten charakterisiert. Die Massengesellschaft sah man geprägt durch die den Großteil der Bevölkerung einschließenden Publika massenmedialer Angebote, die Zielgruppen- bzw. Erlebnisgesellschaft durch die Publika von fein auf bestimmte Lebensstile ausgerichteten Zielgruppenangeboten, die Netzwerkgesellschaft durch die vernetzte Individualität der Nutzerinnen und Nutzer von Onlinediensten. Dies verweist darauf, dass an Prozessen öffentlicher Kommunikation, durch die sich – auf unterschiedlichen Ebenen, z. B. lokal, regional, national, supranational oder translokal – Öffentlichkeiten konstituieren, neben institutionalisierten Kommunikatoren, den von ihnen hergestellten Kommunikationsangeboten und den verschiedenen Akteuren des intermediären Systems (Jarren/Steiner 2009) maßgeblich auch die Mediennutzerinnen und -nutzer beteiligt sind: Erst im kommunikativen Handeln derjenigen, die, primär in einer Publikumsrolle und in der Regel vermittelt über mediale Angebote, mit den Aussagen institutionalisierter Kommunikatoren in Kontakt kommen und sich darüber auf die eine oder andere Weise mit Anderen austauschen und verständigen, konstituieren sich Öffentlichkeiten.

Andreas Hepp
Andreas Hepp ist Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft mit den Schwerpunkten Medienkultur und Kommunikationstheorie am ZeMKI, Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschungforschung. Hepp schloss 1995 sein Studium der Germanistik und Politikwissenschaft an der Universität Trier mit dem Schwerpunkt Medienkommunikation. Von 1995 bis 1997 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter in dem interdisziplinären Forschungsprojekt „Vom Fernsehen reden. Die alltägliche Aneignung des Fernsehens“ an der Universität Trier (gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft, DFG). 1997 schloss er seine Dissertation über die alltägliche Aneignung des Fernsehens ab und verband dabei verschiedene Perspektiven der Cultural Studies mit der soziologischen Gesprächsanalyse. Nach seiner Habilitation an der Universität Trier war Andreas Hepp ab 1999 Lehrbeauftragter am Interfakultären Institut für Angewandte Kulturwissenschaft der Universität Karlsruhe. Zwischen 1999 und 2003 arbeitete er zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter, später als wissenschaftlicher Assistent am Institut für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Technischen Universität Ilmenau. Während dieser Zeit war er auch Forschungsstipendiat an der Nottingham Trent University, UK, und als Gastwissenschaftler an der University of Sunderland, UK. Im Jahr 2004 hat er seine Habilitationsschrift zum Thema Medienkulturen und Globalisierung ab. In den Jahren 2003 und 2004 war er Vertretungsprofessor für Mediensoziologie und Medienpsychologie an der Universität Münster. Von 2005 bis 2010 war er Professor für Kommunikation am Fachbereich Kulturwissenschaften der Universität Bremen.