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Diskussionen darüber, was der Journalismus bietet und was das Publikum auswählt, haben in der Kommunikationsforschung eine lange Tradition und sind regelmäßig Teil der öffentlichen Debatte über die (Un-)Fähigkeit des Journalismus, die Anforderungen und Bedürfnisse seines Publikums zu erfüllen. Die meisten würden zustimmen, dass der Zweck des Journalismus nicht darauf reduziert werden kann, „den Leuten zu geben, was sie wollen“, während sie gleichzeitig die Journalisten davor warnen, die Präferenzen ihres Publikums zu ignorieren. Im Kern geht es bei diesen Debatten um das angemessene oder funktionale Maß an Nähe und Distanz zwischen Journalismus und Publikum (Görke 2014). Doch was bedeutet „angemessenes Verhältnis“, und wer entscheidet darüber und zu welchem Zweck? Allgemeiner gefragt: Wie definieren wir Nähe und Distanz zwischen Journalismus und Publikum, und wie können wir messen und bewerten? Und aus einer grundlegend theoretischen Perspektive: Um welche Art von Beziehung handelt es sich überhaupt?

Diese Fragen werden umso dringlicher, als die Medienpraktiken im Zeitalter des Internets die Grenzen zwischen Nachrichtenproduzenten und -konsumenten sowie zwischen Produktion und Konsum verschwimmen lassen. Insbesondere die Integration sozialer Medien in das Medienrepertoire von Individuen und Medienorganisationen zwingt uns, diese für den Journalismus und die Publikumsforschung gleichermaßen grundlegenden, ja konstitutiven Kategorien neu zu überdenken. Die Fluidität und Prozesshaftigkeit dieser Entwicklungen ist auch in hybriden Begriffen erfasst worden: „Massenselbstkommunikation“ (Castells 2009: 58-70), „Produsage“ (Bruns 2008), „Personal Media“ (Lüders 2008) oder „Personal Publics“ (Schmidt 2014) sind neue Konzepte, die versuchen, das sich verschiebende Verhältnis zwischen professionellem Journalismus und aktivem Publikum und die „Entgrenzung“ von Sphären zu thematisieren, die früher als getrennt betrachtet wurden (Loosen 2015).

Über die Autor:innen

Wiebke Loosen
PD Dr. Wiebke Loosen ist Senior Researcher für Journalismusforschung am Hans-Bredow-Institut für Medienforschung (Hamburg, Deutschland) und Lehrbeauftragte an der Universität Hamburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind der Wandel des Journalismus im digitalen Zeitalter sowie Forschungsmethoden und Methodik.

Jan-Hinrik Schmidt

Dr. Jan-Hinrik Schmidt ist Senior Researcher für digitale interaktive Medien und politische Kommunikation am Hans-Bredow-Institut (Hamburg, Deutschland). Seine Forschungsschwerpunkte sind Social Media und ihre Auswirkungen auf den öffentlichen Raum sowie die kommunikative Konstruktion von Softwaretechnologien.