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Im letzten Jahrzehnt hat sich der Trend, das (soziale) Leben in Zahlen zu erfassen, zu einer zu einer herausragenden Ausprägung der sogenannten „Audit-Gesellschaft“ (Power 1999). Im Zuge dieser Entwicklung wurden fast alle Aspekte des sozialen Lebens gemessen und quantifiziert. Diese Datafizierung des sozialen Lebens weckt Erwartungen an mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Bürgerbeteiligung, aber auch Befürchtungen in Bezug auf Überwachung, Datenschutz, einen Data Literacy Divide und Kontrolle (Kitchin 2014; Borgman 2015; Gitelman 2013). Datafizierung als ein Trend eines sich wandelnden Medienumfelds hat erhebliche Auswirkungen auf viele soziale Bereiche, und einer der auffälligsten davon sind Bildungseinrichtungen (Piety 2013). Es betrifft beispielsweise die Leistungen von Schulen und Schülern, die auf nationaler und internationaler Ebene verglichen werden; sie kann sich auf die Gehälter von Lehrern und Schulleitern auswirken, die je nach Testergebnissen angepasst werden, sowie die Entscheidungsfindung der Eltern bei der Schulwahl oder die Kommunikation und Kontrolle von Lehrern.

Bewertungen waren schon immer ein entscheidendes Merkmal des Lernens und sind im Bildungswesen allgegenwärtig: Schulprüfungen bewerten Schüler; Leistungstests messen und selektieren Schüler für die Hochschulbildung, Schulleistungsstudien wie PISA messen und vergleichen ganze Bildungssysteme. Mit dem zunehmenden Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung der Organisation von Lernen und Lehren entstehen neue Instrumente zur Überwachung, Bewertung und Einstufung von Leistungen,
einzelner Lernender und von Bildungseinrichtungen/-systemen zur Verfügung. Sie reichen von computergestützten Tests bis hin zu Lernanalytik von großen Datenmengen in komplexen Informationssystemen. Sie ermöglichen die „Aufzeichnung, Speicherung, Manipulation und Verteilung von Daten in digitaler Form“ (Selwyn 2015: 64). Digitale Daten unterscheiden sich von vordigitalen Formen dadurch, dass sie umfangreich und sehr detailliert sein können und auf flexible Weise und auf verschiedenen Aggregationsstufen kombiniert werden können. Sie können „Datensätze aus verschiedenen Zeiten, von verschiedenen Orten oder zu verschiedenen Zeiten gesammelt“ (Parks 2014: 356) zusammenführen. Solche Möglichkeiten gab es schon immer in kleinem Maßstab, aber neue Dateninfrastrukturen für die Rechenschaftspflicht (Anagnostopoulos et al. 2013) und algorithmische Fähigkeiten ermöglichen Analysen in einer „noch nie dagewesenen Komplexität und Reichweite“ (Parks 2014: 356).

Über die Autor:innen

Andreas Breiter
Dr. Andreas Breiter ist seit Juli 2008 Professor für Informatik im Fachbereich Mathematik und Informatik an der Universität Bremen. Er ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts
für Informationsmanagement Bremen GmbH, einer gemeinnützigen Forschungseinrichtung an der Universität Bremen (www.ifib.de). Er ist Co-Vorsitzender des interdisziplinären Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung der Universität Bremen. Von 2004 bis 2008 arbeitete er als Assistenzprofessor (Juniorprofessor) an der Universität Bremen. Während seiner Promotion in Angewandter Informatik von 1997 bis 2000 war er in der Forschungsgruppe Telekommunikation, wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war (2000 – 2004). 2002 war er Visiting Scholar an der Columbia University (New York City) und am Center for Children and Technology. Andreas Breiter studierte Soziologie, Informatik und Recht an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und an der University of Southampton (UK). Für zwei Jahre (1995–1997) war er am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe tätig
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Juliane Jarke
Dr. Juliane Jarke ist seit September 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Informationsmanagement Bremen GmbH (ifib) und am Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) an der Universität Bremen. Vor ihrer Tätigkeit in Bremen war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre for the Study of Technology and Organisation an der Lancaster University (2013–2014). Juliane Jarke hat einen Doktortitel in Organisation, Arbeit und Technologie, einen MSc in Informationstechnologie, Management und organisatorischer Wandel (beide von der Lancaster University) sowie einen MA in Philosophie und einen
BSc in Informatik (beide von der Universität Hamburg). Juliane Jarkes Forschung überschneidet die Grenzen der Organisationsforschung und der Wirtschaftsinformatik. Konzeptionell stützt sie sich auf Wissenschafts- und Technologiestudien (STS), insbesondere der Akteur-Netzwerk-Theorie (ANT). Ihr Hauptforschungsinteressen konzentrieren sich auf die Art und Weise, wie sozio-technische Systeme funktionieren und wie sie zum Funktionieren gebracht werden. Interaktionen von Menschen, Technologien, Organisationen und Praktiken. Derzeit leitet Dr. Jarke ein Arbeitspaket zum Thema Participatory Design in Civic Technology und Open Data im Rahmen der EU-finanzierten Forschungs- und Innovationsaktion MobileAge.